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Beitrag 1 von Ildikó von Kürthy

Schreiben wir gemeinsam! Über Ordnung.

Im Jahre 1918, Umsturz in Prag. Eine Horde Radau-Nationalisten will das Gebäude des Prager Tagblatts plündern. Die Männer reißen die Tür zum Zimmer von Dr. Raabe auf, dem Leiter der Sportredaktion, der unter seinen Kollegen für die chaotische Unordnung in seinem Büro berühmt ist. Angesichts des wüsten Bildes, das sich ihnen bietet, machen die Eindringlinge mit den Worten kehrt: „Hier waren wir schon!“ Diese Anekdote stammt aus Die Tante Jolesch, meinem Lieblingsbuch von Friedrich Torberg. Und manchmal muss ich mir eingestehen, dass es auch auf meinem Schreibtisch so aussieht, als seien die Plünderer bereits dagewesen. Die Verwahrlosung meines Schreibtisches beginnt meist damit, dass ich gerade nicht weiß, wohin mit dieser Einladung oder jener Gebrauchsanleitung. Unordnung lädt zu noch mehr Unordnung ein. Auf ein Gerümpel mehr oder weniger kommt es dann auch nicht mehr an, und schon herrschen chaotische, Energie auffressende Zustände.

Aber ich kenne die heilende Kraft der Ordnung. Ordnung hält nicht nur den Tisch, sondern auch das Hirn frei. Sie macht aus weniger mehr, schafft Klarheit und neue Werte.

Beitrag 2

Autor: Clärchen V.

Liebe Ildikó,

Warum ist Ordnung heilig?
Die Frage hat mich sofort angesprochen!
(Manch einer würde vielleicht die Frage infrage stellen,
zu denen gehöre ich nicht :-) )

Ordnung schaffen ist mir eine sehr hilfreiche Strategie in innerlich aufgewühlten Zeiten geworden.

In den Wochen, in denen wir auf eine neue Lunge für meinen Mann gewartet haben, wurde das DVD Regal nach Farben sortiert, die Sockenschublade nach Farben und Mustern, es gab to-do-Listen für die to-do-Listen und eine Hausapotheke nach Alphabet, das hat mein Gemüt für eine Weile runtergekühlt. Ganz abgesehen von den Kleiderschränken, wo alles auf Kante lag, und diversen farb- und förmlich abgestimmten Aufbewahrungsdosen, Kästchen, Regalen… .

Nicht alles davon ist von außen sichtbar, es bedarf zusätzlich auch einer inneren Überschaubarkeit, ich bin mit den Jahren und Erfahrungen, was die Reizverarbeitungskapazitäten angeht, ( naja, auf manch anderer Ebene wohl auch….) gefühlt etwas ausgeleiert.
Alles was ein gewisses Maß an „AußerDerReihe“ - Ereignissen überschreitet, bringt mich schnell aus dem Lot, ich kann dann nicht mehr denken, nicht mehr reagieren, keinen weiteren Reiz mehr aufnehmen, geschweige denn verarbeiten.

Leider kommt es dann vor, dass die Strategie des „Ich-muss-erstmal-aufräumen“s mich zusätzlich überfordert, ich übe mich mittels regelmäßiger Meditation darin, nicht jedesmal auf den Gedankenzug aufzuspringen, der mir vermitteln will, dass ich erst entspannen kann, wenn ich jeden Dorn im Auge ( und in dieser Verfassung springen sie mir nur so entgegen…) entfernt habe.

Alles wie so oft eine Frage des Maßes und der Perspektive.

Dennoch, wenn alles eine Ordnung hat, in der die Dinge an ihrem örtlichen und zeitlichen Platz und noch überschaubar für mich sind,
Dann wird etwas in mir frei,
Dann kann Neues entstehen,
Dann darf ich inmitten dieses haltgebenden Rasters etwas Loslassen erlauben.

Außerdem LIEBE ich den Anblick von gut Sortiertem!
(Inzwischen gibt es ja bei entsprechenden Suchbegriffen ganze Internetseiten mit Bildern von Kerzen- Bücher- oder Hemdenregalen, oder aufgeräumten Küchenschränken;-) )

Unsere Wohnung ist darum/oder dennoch? alles andere als steril, sondern sehr bunt und kreativ gestaltet, das ist kein Widerspruch für mich, so lange alles an seinem Platz ist:-)

Manchmal wünschte ich mir schon ein wenig mehr Spontaneität und Reiz-Belastbarkeit, aber ich hab verstanden, dass manche Lebensereignisse ihre Spuren hinterlassen und eben zu einem erhöhten Sicherheits- und Ordnungsbedürfnis führen, also mache ich so gut es geht meinen Frieden damit und zelebriere es. :-)

Ich danke Dir für den Schreibimpuls,

Herzliche Grüße,
Clärchen


Kommentar von Ildikó von Kürthy

Liebes Clärchen (Du schreibst schon zum zweiten Mal, wie wunderbar, und schon beim ersten Beitrag habe ich mich gefragt, wie ich Dich ansprechen soll. Liebe Clärchen - ist falsch. Liebes Clärchen - ist so verkleinernd. Liebe Clara - vielleicht heißt Du gar nicht so.)

Ich schreibe also ab jetzt:

Hallo meine Liebe!

Deinem Beitrag kan ich ehrlichgesagt nichts hinzufügen. Du schreibst mir aus der Seele und triffst genau die richtigen Worte. Danke! Und natürlich hoffe ich, dass Ihr nicht vergebens auf die neue Lunge für Deinen Mann gewartet habt und es ihm gut geht!

Herzlich! Ildikó

Beitrag 3

Autor: Doris Günther

Liebe Ildikó!

Wenn ich über Ordnung nachdenke, fällt mir spontan der Begriff Ordnungsverständnisdiversität ein. Ich weiß gar nicht, ob es den tatsächlich gibt, doch bei uns zu Hause findet etwas in der Art statt.

Das Ordnungsverständnis meines Mannes zum Beispiel beginnt im Einkaufswagen, findet ihren akribischen Höhepunkt in den Einkaufstüten und endet in dem Moment, in dem die Beute zu Hause angekommen ist.

Da kann es passieren, dass der Klopapiervorrat mit unserer Küchendeko korreliert und Mineralwasserboxen als Teppichvorleger dienen.
Denn, um sich wohl zu fühlen, muss mein Mann so schnell wie möglich raus aus seinen Hosen, um sie ordentlich über den immer gleichen Wohnzimmerstuhl zu hängen. An warmen Tagen müssen die Socken im rechten Winkel dazu oben drauf.

Währenddessen eilt die älteste Tochter die Treppen runter und kümmert sich um die Ordnung, die ihr Papa in der Küche hinterlassen hat.

Für sie zum Beispiel bedeutet Ordnung, dass im Kühlschrank alles nach Farben und Dosengrößen sortiert ist. Keinesfalls jedoch nach Kältebedürfnis des Kühlgutes. Meine Erkärung, dass Wärme aufsteigt und daher leicht verderbliche Lebensmittel im untersten Fach gelagert werden wollen, nickt sie zwar regelmäßig ab, aber ihr ästhetischer Anspruch ordnet sich diesem physikalischen Gesetz und seinen Folgen nicht unter.

So ist sie, unsere Älteste. In Zentimetern wird sie wohl die Kleinste der Familie bleiben, aber Unterordnen liegt ihr nicht. In ihrem Badezimmerschrank stehen die Pflegeprodukte stramm wie die Soldaten und warten auf ihren Einsatz.

Ich bin eher der Typ, der die Cremedosen fragt, wo sie denn gerne hin möchten. In welchem Kästchen sie sich wohlfühlen würden. Ich bin auch die, die körperlichen Schmerz empfindet, wenn das Geschirr unachtsam und laut aufeinandergestapelt wird. Da lauf ich lieber dreimal vom Eßzimmer in die Küche, bevor das Geschirr leiden muss. Empathie für’s Porzellan. Vielleicht sollte ich doch mal zur Therapie.

Ich bemerke, dass meine Tochter sowohl ihre Cremedosen, als auch ihr Leben im Griff hat. Die Sachen dienen ihr. Umgekehrt habe ich oft das Gefühl, den Dingen zu dienen, als hätten sie mich im Griff. Ich diene ja grundsätzlich sehr gerne - ich freue mich, wenn ich es anderen angenehm machen kann. Aber dem Geschirr? Den Cremedosen? Erstaunlich, was mir beim Schreiben gerade klar wird. Offensichtlich ist es mir so ein dringendes Bedürfnis, niemandes Gefühle zu verletzen, dass es sogar vor Gegenständen nicht halt macht.

Nun ist es so, dass sich viele Dinge rund um mich einfach nicht entscheiden wollen, wo sie Platz nehmen möchten. Das nennt sich dann im Außen Unordnung, ist aber keine! Tatsächlich nahm ich bisher nur Rücksicht auf die Unentschlossenheit von Heften, Büchern, Schalen, Karten und Cremedosen.

Es wird Zeit, an meinen Führungsqualitäten zu arbeiten. Der Laissez-faire Stil ist frustrierend und gleicht optisch dem Lass-liegen Stil. Ab morgen übernehme ich die Verantwortung für meine Stücke. Ihr Verhalten zeigt mir, dass sie geführt werden wollen. Ins Regal zum Beispiel, oder in diverse Schubladen. Morgen werde ich sie alle in die Hand nehmen, so wie mein Leben auch!

Der Vollständigkeit halber möchte ich noch erwähnen: für unseren Jüngsten bedeutet Ordnung immer genau das, was der momentane Zustand zeigt und unsere goldene Mitte gibt sich Pubertät hin. Die Umstrukturierung in ihrem fünfzehnjährigen Gehirn spiegelt sich also direkt in der Ordnungslebendigkeit ihres Zimmers wider!

Kommentar von Ildikó von Kürthy

Liebe Doris!

Das ist so ein wunderbarer Text. Und ich hatte wirklich das Gefühl beim Lesen zu spüren, wie Du von Deinem Schreiben getragen worden und an teilweise ganz unvermutete Orte gelangt bist.

Es ist eine wahre Freude, das mitzuerleben und zu lesen.

Danke, herzlich!

Deine

Ildikó

Beitrag 4

Autor: Claudia aus Berlin

Liebe Ildikó,

Früher habe ich über Ordnung nie nachgedacht, es war einfach ordentlich zu Hause, meist ohne mein eigenes Zutun. ;-)

Heute ist das natürlich anders und hängt immer von der jeweiligen Situation ab. Nicht überall muss Ordnung sein. Manchmal hat sie etwas Steriles. Hier und da ein wenig kreatives Chaos schadet nichts, aber wenn ich 
z. B. einen neuen Job beginne, räume ich erstmal alles aus meiner Sicht Unnötige meines Vorgängers weg. Jetzt richte ich mich dort ein und schaffe mir meine eigene Ordnung. 

In der Küche ist das ganz ähnlich. Das ist auch ein Ort, wo ich eine gewisse Ordnung brauche, um Lust zu haben, neue Rezepte auszuprobieren. Hinterher darf es gerne kurzzeitig aussehen wie auf dem Schlachtfeld. Dann sehe ich, wieviel Mühe ich mir gegeben habe und kann über ein vielleicht nicht ganz perfektes Ergebnis lächelnd hinwegsehen.

Vor allem aber brauche ich Ordnung im Kopf und da ist aufräumen oft gar nicht so einfach. Wie trennt man sich von unliebsamen Erinnerungen? Wie ordnet man Erfahrungen richtig ein? Wie streicht man Menschen aus seinem Leben, die einem nicht guttun? 

Ich arbeite an mir, aber so ein richtig gutes Konzept wie fürs Kleidung falten à la Marie Kondo wäre hier sehr hilfreich. Ideen sind herzlich willkommen.

Kommentar von Ildikó von Kürthy

Gedanken ausmisten, Erinnerungen falten, Erfahrungen sortieren :-))) Der Gedanke gefällt mir gut! 

Danke, liebe Claudia und herzliche Grüße nach Berlin von Deiner

Ildikó

Beitrag 5

Autor: Andreas S.

Liebe Ildiko, 
die Frage, „Warum ist Ordnung heilig ?“ gefällt mir auch noch, heilig hört sich nach Religion an, heilig wirkt irgendwie unberührbar. Aber vielleicht kommt heilig ja auch von heilsam, von heilen. Genau hier könnte ich ansetzen, von dort könnte ich anfangen zu schreiben. Mensch…. irgendwo habe ich doch noch ein passendes Bild dazu, von dem ordentlich gestapeltem Brennholz beim Waldspaziergang. Gerade hätte ich die Zeit für ein paar Gedanken, aber ohne dieses Bild geht es jetzt nicht, also erstmal das Handy an den Computer anschließen und die Bilder kopieren, hoffentlich vermiest mir das nicht die Stimmung für den Schreibfluss, aber ich scheine diesbezüglich gerade im Flow zu sein. Meine liebe Frau lässt sich nun ein Wannenbad mit viel Schaum ein, läuft hin und her, klappert mit den Hausschuhen und fragt, ob Sie sich auch die Haare waschen soll. Ich schiebe Sie sanft hinaus zum Bad, damit es doch noch klappt, über die heilsame Kraft der Ordnung zu schreiben. Wo fängt man da an, etwa bei der Außenwelt, mit Ihren unzähligen Möglichkeiten, den mannigfaltigen Optionen, der riesigen Auswahl von Medien, der allgewärtigen Ablenkungs-Elektronik. Das innere Chaos von Außen zu bekämpfen, ist ja in aller Munde, „Minimalismus“, „meditatives Ausmisten“, „Weniger ist Mehr“, „äußere Ordnung = innere Ordnung“, Tiny-House, „die Unterhosen platzsparend rollen statt falten“ und so weiter und so fort. Meinem Sohn habe ich mal wegen Konzentrationsmangel und suboptimaler Schulnoten als rustikale Erziehungsmethode das Zimmer leergeräumt und für jede Klassenarbeit Note 2 gab es einen Artikel seiner Wahl zurück. Heute ist Er auf dem Weg zur Doktorarbeit, keine schlechte Bilanz würde ich sagen (bitte schmunzeln). Ordnung halten, immer am Ball bleiben, Sachen aufräumen, Papierkram erledigen, sind die Rahmenbedingungen für ein geregeltes Leben, damit man nicht im Messie-Sumpf versinkt, so wie bei einem Kindergeburtstag, wenn man ab einem bestimmten Punkt merkt, daß einem die Situation entgleitet. Je größer der Tumult, desto fröhlicher die Kinder, man kann also auch in der Unordnung glücklich sein, wenn man danach die Flucht ergreifen kann. Wenn man mal bei einem Kaffeebesuch war, bei dem der Gastgeber sofort alles nach Gebrauch wegräumt, pedantisch jeden Kuchenkrümel und Milchtropfen einzeln wegwischt, erkennt man das andere Extrem. Die Lösung wird wohl wie so oft in der Mitte liegen, jeder hat seine individuelle Wohlfühl-Ordnung. Ein frisch gerichtetes Hotelzimmer ist zwar ordentlich, aber nicht so gemütlich wie das eigene unaufgeräumte Wohnzimmer. Kommen wir zur inneren Ordnung, mein Blick schweift hinaus aus dem Fenster, wie also soll es in mir sein ? So wie bei dieser Katze, die herrschaftlich auf dem Garagendach schreitet, oder so wie bei dem Streuner, mal hier und mal dorthin rennen, überall rumschnüffeln, rumbellen, ungefiltert von äußeren Reizen und Verführungen gelenkt zu werden ? Nicht falsch verstehen, ich liebe Hunde, ich meine ja jetzt verpeilte Streuner und nicht einen coolen, in sich ruhenden Bernhardiner. 

……… mehrere Wochen Schreibpause, 

der Job nahm mich gefangen, sehr geschätzte Kollegen verlassen aus unterschiedlichen Gründen die Firma. Ich frage mich, was bleibt übrig von einem langen Berufsleben, früher gab es feuchtfröhliche Verabschiedungen gleich einem Paukenschlag, sogar Rentner, die schon ein paar Jahre im Ruhestand waren, wurden eingeladen, es wurde viel gelacht, alte und neue Geschichten erzählt. Mit dem großen Plotter wurden ganze Plakate vom Lebensweg ausgedruckt, „vom jungen Lehrling zum alten Hasen“. Es gab dann meist noch was „Selbstgebasteltes“, sagen wir zum Beispiel eine Wanduhr im 50`er Jahre Stil, der dann einen würdigen Platz in der Garage bei den anderen beruflichen Erinnerungen zugewiesen wurde. Heutzutage sind solche Bastelarbeiten in großen Firmen verboten, aber ohnehin hätte auch niemand mehr die Zeit, Muße und Möglichkeiten für diese individuelle Wertschätzung am Ende des Berufslebens. Heute ist alles so schrecklich über-korrekt, kein Tropfen Alkohol, kein lockerer Spruch, nur ein paar blumige Worte, und wenn man Glück hat, haben die Kollegen digital für einen gesammelt. Da steht er dann, der Geschenkkorb, der Blumenstrauß, jetzt also ist es soweit, man geht nach all den Jahren, ein letztes Mal durch das Werkstor. So ein zukünftiger Rentner wird seine Gedanken sortieren müssen, ebenso die verblieben Kollegen, es wird sich eine neue Ordnung finden, das Rad dreht sich weiter, immer weiter, immer weiter. Aber für mich, welche Schlüsse ziehe ich daraus, lohnt es sich ausschließlich für die Anerkennung der Außenwelt zu leben? Ist es nicht an der Zeit, meinen inneren Setzkasten diesbezüglich wieder neu zu ordnen? Aber eines sei schon jetzt gewiss, so eigenartig und unterschiedlich wie wir Menschen glücklicherweise sind, so eigentümlich sollten wir auch denken, fühlen, schreiben und in unserer ureigenen Ordnung leben.

Kommentar von Ildikó von Kürthy

Lieber Andreas,

Deine Texte sind immer eine wunderbare Bereicherung. Ich muss jeder Zeile nachhorchen, sie sacken lassen und abwarten, was sie über das erste Lesen in mir auslöst. Aber jetzt habe ich keine Zeit dazu. Ich muss sofort das Zimmer meines vierzehnjährigen Sohne ausräumen! :-)))

Danke und herzliche Grüße!

Deine

Ildikó

Beitrag 6

Autor: Sophie Brennecke

Liebe Ildikó,

Ordnung. Raum. Papas wunderschöne Aquarellen an den Wänden begleiten das Klavier. Der Größe nach aufgereihte Buchrücken im Regal, die zum Verweilen einladen. Die Grünpflanzen haben in dem nun leeren Raum Platz zum Wachsen. Das Licht kann wirken. Die Bilder meiner Liebsten finden einen verdienten Platz. Sie sind schön. 
Hinsehen ist wie Entspannung für die Seele. Keine hundert Ecken, die einen anmotzen: „Räum mal wieder auf“. Der Suchende findet das Passende, weil ja alles einen Platz hat. Das Paketband ist griffbereit, die mittlerweile 30 angesammelten (und wiedergefundenen) Streichholz Schachteln werden abgearbeitet. Das dauert bestimmt noch fünf Jahre. Immerhin sind sie jetzt vereint!
Ich muss das mit der Ordnung schon mein ganzes Leben lang lernen. Ich kämpfe gegen Chaos und Anarchie seitdem mir bewusst wurde, dass andere ein besseres System haben. Und das ist lange her… Die Freundinnen in der Schule hatten super aufgeräumte Schulranzen, perfekte Pausenbrote oder Apfelspalten in wunderbaren kleinen Boxen. Ich habe immer etwas gesucht und ständig etwas vergessen: mein Essen, meine Sportsachen, das wichtige Schulbuch… Jahre später waren Schubladen bei mir noch wie ein schwarzes Loch und ließen immer wieder Unterlagen, Rezepte, Brillen oder Haargummis verschwinden. Das mit den Haargummis ist übrigens ein seltsames Phänomen. Sie gehen einem dauernd aus und wenn der Nachschub ausgepackt wird, finden sich auf einmal überall welche.
Es musste in meinem Kopf so unerträglich voll werden, bis ich endlich begriff, dass ich etwas tun musste. Ich habe ausgemistet. Wochenlang. Über Monate. Sorgen. Stress. Rastlosigkeit und Gedankenchaos wurden weniger. Sie haben angefangen Platz für Klarheit und Erholung zu machen. Vielen konnte ich außerdem bei der Reinigungsaktion eine Freude machen: Verschenken macht glücklich.  
Ich habe die vielen Überbleibsel der Vergangenheit durchleuchtet und neubewertet. Was davon war mir noch wichtig? Was machte mich glücklich oder eben nicht mehr? Es war wie eine Zeitreise. Bei jedem Umzug schleppte man noch mehr Koffer und die alten wurden nie richtig vorher ausgepackt. Damit war jetzt Schluss. 
Unzählige alte Bilder. Bilder aus einem früheren Leben. Eine junge Mutter mit ihren 3 kleinen Kindern. Liebe, Hoffnung. Sehnsucht, Baby-Duft, erste Schritte. Die stolzen überglücklichen Großeltern. Wut, Abschied, Frieden und neue Hoffnung. Das alles war so weit weg. Aufräumen war wie das Entfernen dieser weißen Laken, die Wertvolles in alten unbewohnten Häuser beschützen. Dadurch habe ich vieles wiedergesehen und nochmal erlebt, nach so vielen Jahren aber in einer ganz anderen Verfassung. Vieles war jetzt leichter, klarer. Ich konnte loslassen und für Besonderes einen schönen Platz finden. Der Kopf wurde leichter. Energie wurde freigesetzt. Die Aufräumtherapie war im vollen Gang! Es ging munter weiter: Alte Bücher, Geschirr, Millionen Gesellschaftsspiele (wer braucht schon Mensch ärgere Dich nicht in fünf Versionen!), Nagellackfläschchen in 20 Farben, Spielsachen und noch so viel mehr. Ein Karton nach dem anderen. Viele Regale. Ganze Schränke. Ein Schritt nach dem anderen. Auch beim Ordnung machen, eine passende Methode (für mich). Ein tolles Gefühl, wenn sich das Chaos lichtet und man wieder freier atmen kann!

Bin ich damit durch? Nein, aber das ist nicht schlimm. Der Impuls kommt jetzt viel leichter: es wird mal wieder Zeit hier durchzusehen… Kleine Erfolge werden übrigens gleich gefeiert: ein wunderschöner Strauß thront jetzt auf der leergefegten Anrichte!

Kommentar von Ildikó von Kürthy

Liebe Sophie! 

Danke für Deinen wunderbaren Text, der ihn mir sofort den Drang auslöst, los zu stürmen und die ungeordneten Ecken meines Hauses, meines Lebens und meiner Seele zu inspizieren und zu ordnen. Deine Zeilen schicken so viel Energie und Lust aufs Loslassen und aufs Neubewerten. 

Das ist toll! Herzliche Grüße! 

Deine Ildikó

Beitrag 7

Autor: Christiane Seidl

Wieder ein sehr starker Satz, der mich angetrigert hat "Warum ist Ordnung heilig"...

Ich bin per se ein sehr ordnungsliebender Mensch, ich bin hypersensibel und Chaos und Unordnung machen mich ganz wirr. Es wird mir dann alles zu viel und ich sehe den Wald vor lauter Bäumen nicht...
2018 begann ich eine Meditationsausbildung, die ersten sechs Monate dieser Ausbildung begannen damit, für uns eine Klarheit zu schaffen, wie innen so außen. Unser Lehrer beharrte auf dem Standpunkt, wir könnten anderen Menschen nur etwas beibringen, wenn wir erst einmal selber Ordnung schaffen würden. Das fing damit an, unsere eigenen vier Wände zu ordnen, zu entrümpeln und defektes, unbrauchbares ja sogar überflüssiges zu entsorgen oder zu verschenken. Danach ging es um die gedankliche Hygiene. Hier sollten wir unnötige Gedanken, Glaubenssätze erkennen, verändern oder gar verabschieden. Dieses halbe Jahr tat der Seele so gut, was durchaus alle Kursteilnehmer bestätigen. Ich glaube am dem alten Satz "weniger ist mehr". Oder auch "Ordnung ist das halbe Leben". Geht es mir heute mal nicht so gut, fange ich an Dinge zu sortieren und ggf. auch weiter zu geben. Leider sammelt sich doch schnell wieder viele Dinge an.

Wobei in dem von dir dargestellten Text, Unordnung auch durchaus positiv sein kann.... wer weiß, was sonst in dem Büro passiert wäre...

Kommentar von Ildikó von Kürthy

Liebe Christiane! Ich empfinde Ordnung, die innere wie die äußere, auch als wohltuend und für mich mittlerweile fast überlebenswichtig. 

Ordnung hilft mir, die Übersicht zu bewahren, die Ruhe zu bewahren und auch zur Ruhe zu kommen. 

Danke, dass du mich mit deinem Beitrag daran erinnert hast! Sehr herzlich! Ildikó