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Beitrag 1 von Ildikó von Kürthy

Schreiben wir gemeinsam! Über die Heimat.

Bis heute fällt es mir schwer, meiner Heimat zu verzeihen, dass sie kein Ort ist, an den ich zurückkehren kann. Sie liegt in der Vergangenheit. Erreichbar nur über diese brüchige Brücke aus Erinnerungen und Sehnsüchten, die mir stets vorgaukeln, früher sei das Wetter besser, die Sorgen kleiner und das Leben unbeschwert gewesen. Ich versuche, eine Heimat in mir zu finden, ein tragbares Zuhause.

Beitrag 2

Autor: Elli Drenkow

Wo ist sie? Die Heimat?

Keine einfache Frage in heutiger und auch vergangener Zeit. Kriege bspw. haben Völker schon immer aus ihrer Heimat vertrieben - eine neue zu finden und anzunehmen fällt schwer, wenn die alte keine Option mehr ist und man mit Traditionen daherkommt, die anderswo sehr fremd anmuten und Akzeptanz und Respekt einfordern.
Heimat sollte dort sein, wo man sich wohl, angekommen und sicher fühlt. Solch einen Platz zu finden ist sicherlich eine Aufgabe, die manch einer sein ganzes Leben verfolgt. Letztendlich ist aber die Fähigkeit, sich heimisch zu fühlen, aufgeschlossen, mutig und neugierig Neues anzugehen mit Sicherheit eine Entwicklungsfrage, die im Kindesalter beginnt und im besten Fall den Erwachsenen dann zu einem kompatiblen Zeitgenossen macht. In der heutigen Zeit, in der oft das Arbeitsumfeld oder die Arbeitsmöglichkeit die "neue Heimat" bestimmen, ist es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht immer einfach, neue Umfelder zu erschließen, für sich anzunehmen und sich auch mit Dingen arrangieren zu müssen, die eben gerade nicht unbedingt ins Lebensschema passen wollen. Dazu gehören eine Menge Mut und Selbstvertrauen. Die Entscheidung darüber, wie ich leben will und wo ich mich eben gerade heimatlich verbunden fühle, liegt bei jedem selbst. Das muss nicht der Geburtsort sein - Heimat kann der Lieblingsort sein, an dem ich mit meinem Lieblingsmenschen in einem aufgeschlossenen Umfeld lebe, arbeite, gesunde soziale Beziehungen pflege und mich angenommen und sicher fühle.

Kommentar von Ildikó von Kürthy

Danke, liebe Elli! Du hast Recht. Die Suche nach der Heimat kann ein Leben lang dauern und ist ein Prozess. Meine Freundin Meike Winnemuth sagt: "Heimat ist, wenn man´s merkt!" Also, lass uns aufmerksam sein! Herzlich! Deine Ildikó

Beitrag 3

Autor: Theresa Huchler

Liebe Ildiko - die Heimat, das ist für mich unter anderem die Erinnerung an Häuser und Wohnungen, die man bereits verlassen hat, die einige Jahre zu Hause waren - und diese Erinnerungen überfallen mich oft in schönen Träumen, wo man wieder durch diese spaziert und alles ganz klar und greifbar ist! Wir sind sehr oft umgezogen in meinem Leben, da gehen sich ein paar Träume aus ;) Besonders schön ist es, wenn solche Orte auch noch wirklich existieren - solche Plätze, wie das Haus meiner Großmutter zum Beispiel. Es liegt in einem Ort im schönen Österreich, im Speckgürtel Wiens, am Rande der großen Stadt, ein mondänes, alt-herrschaftliches Stückchen Erde, wo sich alt-ehrwürdige Bauten in Schönbrunner Gelb und dunkelgrün aneinanderreihen, umgeben von den Hügeln des Wienerwaldes. Es ist ein geschichtsträchtiges Haus, ebenfalls im Schönbrunner Gelb, mit grünem Gartentor und grüner Holzverranda, umrahmt von Jahrzehnte alten Rosenbüschen, umgeben von ebenso alten Fichten und Tannen und einem riesengroßen Garten, der früher alles beherbergt hatte, was das Herz begehrt. Ein Wäldchen, wo bereits meine Mutter und mein Onkel als Kind gerne verstecken spielten. Kirsch-, Zwetschgen- und Apfelbäume, Ribisel-, Himbeer- und Stachelbeersträuche, Blindschleichen, Hühner und Hasen, die regelmäßig der Marder holte und eine Schaukel unter dem großen Nussbaum. Vor wenigen Wochen hatte meine 90-jährige Großmutter einen kleinen 'Vorfall', einen Unfall. Die, die immer alles selber machen muss, resolut, nie wehleidig, wollte sich nach ihrem 'Waschtag' Besen und Schaufel aus dem Keller holen, ist gestürzt und nicht mehr hochgekommen und leider 1,5 Tage alleine in ihrem Haus gelegen, bis sie Mario, ein Freund der Familie, gefunden hat. Es geht ihr jetzt wieder gut, aber diese Schocksituation hat uns in diesen letzten Wochen als Familie wieder sehr nahe gebracht. Trotz Corona haben wir uns nun alle wieder um sie versammelt (so vorsichtig es halt geht) um sie mit Liebe und selbst gekochten Köstlichkeiten wieder aufzupeppeln. Und da waren wir alle wieder da, in diesem ihrem, unserem Haus und es war anders, denn auf einmal hat man daran gedacht, wie lange wird es das Haus noch geben? Wie lange wird es meine Oma noch geben? Selbstverständliches wird irgendwann auch nur mehr bloße Erinnerung sein. Und so spaziere ich diese Male ganz bewusst durch dieses alte, verzaubernde Haus, das spricht, wenn man genau hinhört, denn es hat viel erlebt. Ein Geschenk an meine Großeltern ganz zu Beginn ihrer Ehe vom Onkel aus Amerika, der dahin ausgewandert war um als Architekt, gemeinsam mit der Tante sein Leben in den USA zu verbringen. Russische Soldaten, die es im 2. Weltkrieg besetzt hatten und im Zimmer neben der Küche, das jahrelang Opas Schlafzimmer war, wo auch sein Klavier steht, das nun Omas Malatelier ist, gewohnt haben. Ich hatte immer Angst, wenn ich in diesem Zimmer als Kind eingeschlafen bin. Owbohl das Haus für mich so heimelig ist, haben hier doch noch die Geschichten der Vergangenheit viel Raum und wirken nach. Trotzdem war und ist dieses Haus auch eine Burg für so viele Menschen unserer Familie. Im Erdgeschoss haben meine Großeltern residiert und der Dachboden wurde von meiner Mutter ausgebaut und als kleine feine Wohnung genutzt, als sie mit mir schwanger war. Damals hatte sie gerade eine Scheidung hinter sich gebracht und war nach einem zweimonatigen Segeltörn im ironischen Meer mit einer kleinen 'Überraschung' nach Hause gekommen. Dem griechischen lustigen Bootsfahrer und Surflehrer, der sie und ihre Freundin am letzten Tag auf einen Ausflug begleitet hatte und der sie, als sie eigentlich schon zu Bett gehen wollten, noch ganz romantisch mit dem Boot aufs stille Meer entführt hatte, wollte sie damals nichts von ihrer Schwangerschaft und mir sagen, sie hatte Angst. Also war meine Großmutter im Erdgeschoss für mich ganz nahe, ganz wichtig, und wir haben die ersten drei Jahre meines Lebens im Dachgeschoss ihres Hauses gewohnt. Viel später hat dann meine jüngere Schwester einige Jahre während ihres Studiums 'am Boden' gehaust, einige Zeit später hat meine Cousine nach ihrem Burnout dort oben wieder Ruhe und Kraft gefunden und einige Monate dort gewohnt nach einem zu sehr fordernden Job im EU Parlament in Brüssel. Wieder einige Zeit später war es nochmals eine Übergangslösung als ich mit meinem Mann zusammengekommen bin und wir haben zu zweit die Idylle der Dachbodenwohnung genossen. Momentan nutzt meine Mutter die Wohnung als Massagepraxis und sie steht jederzeit für alle offen, die es auch als Übernachtungsmöglichkeit benötigen. Unsere 'Burg'. Da hängen noch die Portraits von mir, meiner Schwester und meinen Cousins, die meine Oma gemalt hat. Teresa - Ostern 1993. Da hängt das Schild, das ich damals aus Zeitschriften gebastelt hatte an der Toilettentür. Da steht die Bialetti meiner Cousine in der Küche und im Schlafzimmer findet man einen Spielebogen von der Tochter meiner Cousine, den jetzt gerne meine Tochter bespielt. Da stehen die Schulordner meiner Schwester im Schrank und im kleinen süßen IKEA-Bad mit dem Dachschrägenfenster und den maritimen blau-weißen Fliesen liegt meine alte Brille, die ich mit 14 Jahren bekommen habe. Und dann lasse ich mich auf die orangene, ultra bequeme Couch im Wohnzimmer fallen, ein Geschenk an mich von meiner Tante. Auf dieser habe ich vor 10 Jahren immer meine Freitag Abende mit Essen meines Lieblingsthai-Restaurants nach der Arbeit und 1,2 oder 3 Folgen Sex and the City verbracht. Ich schaue auf die lila Vorhänge, die ich damals aufgehängt habe und auf die Fenster dahinter, die ich das einzige Mal geputzt habe, als gerade die Hochzeit von Herzogin Kate und Prinz William im TV übertragen wurde (damals gab es ja soo viele Rührungstränen und bitte wie hübsch war Kate und ihr Kleid) und schaue dann auf meine Tochter, die jetzt bald ein Jahr alt wird. 'Schau, meine kleine Nora, hier ist deine Mama schon gewesen als sie ein kleines Baby war. Hier ist meine Heimat, ganz tief verwurzelt und auch die Heimat von vielen anderen - ein ganz besonderer Platz und ich sauge jeden Moment in mich auf und halte fest und speichere tausend mal ab fürs 'Archiv', sodass ich immer wieder an diesen Ort zurück kehren kann, obwohl dieser vermutlich in nicht allzuferner Zukunft nur mehr in meiner Erinnerung existieren wird!


Kommentar von Ildikó von Kürthy

Liebe Theresa,

ganz versunken und ergriffen habe ich Deinen Text gelesen. Was für ein Schatz so ein Haus voller Erinnerungen ist. Fast fühle ich mich nach Deinen Beschreibungen schon selbst dort zu Hause. Grüße bitte herzlich alle derzeitigen Bewohner! Deine Ildikó

Beitrag 4

Autor: Sabine Lorenz

Liebe Ildiko,
Heimat, was für ein Wort!

Da sind viele Orte,die dazu gehören.

Ich komme Heim, wenn Gerüche, Licht und Landschaft mich am gute Plätze meiner Kindheit erinnern.
Sofort ist sie da, die Vertrautheit, die Geborgenheit die ich damals empfunden habe. Gerne lasse ich mich einfangen, lasse mich überraschen, lasse mich erinnern, wenn mich, so ganz unerwartet dieser oder jener Impuls trifft, wie aus heiterm Himmel.

Heimat kann aber auch eine vertraute Geste, eine vertraute Handlung sein. Ich habe schon immer Zuhause drei Mal auf den Klingelknopf gedrückt und wer öffnet da, auch heute noch,die Tür? Meine Mutter!

Meine Heimat ist ein winziges Dorf in einer bezaubernden Landschaft. Wenn ich von einer Reise, einer Fahrt, egal ob ich kurz oder länger fort war, eine bestimmte Kurve umfahre, kommt die Vorfreude auf das was ich sehen werde. Es ist unser kleines Dorf, meine Heimat. Ein Ort, mit gewohnten, Ecken und Kanten.

Ja und dann bin ich, in erster Linie, da zu Hause, wo mein Heim ist.
Dort wohnt mein Herz, meine Liebe, meine Vergangenheit, meine Gegenwart und meine Zukunft.
Hier finde ich alles, was ich zum Glücklich sein brauche. Das habe ich, gerade in den letzten Monaten gespürt. Mehr brauche ich nicht. ;)

"Past scho", sagt der Franke und das ist höchste Lob.

Deine Sabine


Kommentar von Ildikó von Kürthy

Danke, liebe Sabine! Jetzt, wo ich Deinen Text lese, fühle ich mich auch zurückversetzt in meine Heimat, die vertrauten Ecken und Kanten, wie Du schreibst - und jetzt fallen mir sogar auch ein paar vertraute Gesten und Handlungen ein, wo ich darüber nachdenke. Danke, dass Du mich daran erinnerst hast!

Herzliche Grüße!

Deine

Ildikó

Beitrag 5

Autor: Andreas S.

Ich vermutete meine Heimat in der Idylle,
nostalgisch wie in einem Heinz Rühmann Film,
eingebettet in einer Dorfgemeinschaft mit fröhlichen Festen,
aufgewachsen mit bodenständigen, ausgewogenen Ansichten,
eine liebe Familie und Freunde vom Sandkasten an,
gleich einem Bild von Carl Spitzweg,
das Idyll als stützendes Korsett in der verwirrenden Vielfalt der Welt.
Ich wurde mir bewusst,
all dies ist sind nur die äußeren Lebensumstände,
niemals werden diese vollständig idyllisch sein,
es ist ein Unterfangen und man verliert viele Jahre,
mit der perfekten Gestaltung eines Designer-Lebens.
Die wahre Suche galt einer Stätte in mir selbst,
ich ging durch das lange unbeachtete Tor der Achtsamkeit,
vorbei durch die Höhle der Zeit,
sah auf dem Scherbenhaufen der Geschichte,
Gold, Juwelen und ausgelöschte Königreiche.
Atemzug für Atemzug schob ich Geröll und Unruhe zur Seite,
entfernte den Schleier der Gewöhnlichkeit,
von den Wundern und Freuden des Daseins.
Eine seltsame Stille durchströmte mich,
und obwohl die Brandung des Lebens stürmisch war,
fand ich auf dem Urgrund meiner Seele,
einen festen Anker …. meine innere Heimat.

Kommentar von Ildikó von Kürthy

Innere Heimat. Sehnsuchtsort! Ich suche noch, sehr herzlich, Deine Ildikó

Beitrag 6

Autor: Claudia aus Berlin

Liebe Ildikó

Wo ist Heimat? – oder vielmehr was ist Heimat?
Heimat ist so vieles: Ein Ort, eine Erinnerung, eine Sehnsucht. Ich glaube, Heimat kann und muss man finden oder warum heißt es im Sprachgebrauch so gerne: ‚Man habe eine berufliche Heimat gefunden.‘

Im Privaten ist Heimat wohl einfach der Ort, der mir stets Schutz und Rückzugsmöglichkeit bietet – ein Ort, an dem ich mich zu jeder Zeit absolut sicher, geborgen und geschützt fühle.

Kommentar von Ildikó von Kürthy

Danke, liebe Claudia, für Deine Heimatgedanken - und viel Erfolg und Glück und schöne Momente beim Finden neuer Heimaten.

Herzlich!

Ildikó

Beitrag 7

Autor: Edina Molnár

Was ist Heimat? Und wo liegen unsere Wurzeln? Jeder hat seine eigene Antwort auf diese Fragen. Im ursprünglichen Sinne des Wortes ist für mich Heimat natürlich das Land, in dem ich geboren und aufgewachsen bin, also Ungarn. Dort bin ich sozialisiert worden. Sozialisation ist meines Erachtens ein wichtiges Schlüsselwort, wenn man darüber nachdenkt, wo man sich heimisch fühlt und vor allem: Warum man sich irgendwo heimisch fühlt und anderswo nicht, oder warum man sich am gleichen Ort mal heimisch, mal fremd fühlen kann. 
Warum fühle ich mich nach 20 Jahren in Deutschland manchmal immer noch nicht dazugehörig? Trotz gelungener Integration, trotz eines breiten, über Jahrzehnte ausgebauten sozialen Netzes, trotz geregelter Arbeit, trotz eines deutschen Mannes und Kinder, die in Deutschland aufwachsen und trotz sehr guter Beherrschung der deutschen Sprache? 
Deutschland ist mir schon lange nicht mehr fremd – ja sogar öfter mal sehr vertraut – und doch fühle ich mich - zwar nur selten, aber dann kann ich es nicht leugnen – wie ein Marsianer. In solchen Momenten überwältigt mich das Gefühl des Nichtdazugehörens mit einer Wucht, dass ich kaum weiß, wohin ich vor diesem Gefühl flüchten soll. Und in genau diesen Momenten wird mir kristallklar bewusst, dass ich nur an einem einzigen Ort Zuflucht nehmen kann: nämlich in meiner Muttersprache, die meine richtige Heimat ist. In solchen Momenten bewegt sich meine Hand schon automatisch in Richtung ungarische „Sektion“ meines Bücherschranks (wenn er nun in meiner Nähe ist) und ich fange an, das wer weiß wie vielte Mal, einen beliebigen Roman meiner Lieblingsschriftstellerin, Magda Szabó (die allerdings eine unbesiegbare Meisterin der Sprache ist) zu lesen oder ich nehme den Gedichtband von Attila József oder Miklós Radnóti in die Hand und tauche in meine Muttersprache ein. 
Ich habe eine besondere Muttersprache. Was sie mir gibt, fällt mir schwer, in Worte zu fassen. Wenn ich Werke auf Ungarisch lese oder Songs höre, die mir viel bedeuten, fühle ich mich durch und durch lebendig. Ich werde von starken Emotionen erfüllt und ich vergesse alles andere. Oft kommen mir die Tränen und dabei ist es mir egal – und darin ähneln wir einander, liebe Ildikó – ob die Tränen von glücklichen oder traurigen Zeilen ausgelöst werden. Ich finde es einfach unbeschreiblich schön, von starken Gefühlen übermannt zu werden. Worte, die man liest oder hört und die man hundertprozentig versteht und fühlt, haben eine gewaltige Macht über einen. Und darin liegt das Mysterium: Man hat nur zu seiner Muttersprache eine so ausgeprägte emotionale Bindung. Wenn ich auf Deutsch lese oder schreibe, verstehe ich „nur“ die Worte, weil ich sie irgendwann in der Vergangenheit gelernt habe, aber wirklich nachempfinden kann ich sie nicht. (Insofern haben auf Deutsch geschriebene Texte für mich immer einen experimentellen Charakter: Dass ich auf einer Sprache, die ich „nur“ verstehe, einen Text schreibe, der bei anderen Lesern, deren Muttersprache es ist, möglicherweise Emotionen auslöst, ist ein spannender Gedanke.)
Ich unterrichte Deutsch als Fremdsprache, also habe ich auch beruflich viel mit Deutsch zu tun. Ich kann verschiedene Sprachregister voneinander unterscheiden, ich verstehe Wortwitze und bekomme sogar Kreuzworträtsel auf Deutsch gar nicht so übel hin, also wage ich zu behaupten, dass ich diese Sprache ziemlich gut beherrsche. Und doch wird diese Sprache nie vollkommen die Meine sein. Ich werde niemals alle Nuancen komplett verstehen, geschweige denn perfekt einsetzen. Irgendwo bleibt immer eine dünne Trennwand zwischen mir und der deutschen Sprache bestehen, denn ich spüre sie nicht. 
Darum: Meine richtige Heimat ist meine Muttersprache, Ungarisch, die jederzeit imstande ist, mein Inneres erbeben zu lassen und sofort ein Gefühl des Vertrautseins hervorzurufen. Wenn ich Texte lese oder Songs höre, die mir im Laufe meiner Sozialisation in der ersten Hälfte meines Lebens ans Herz und an die Seele gewachsen sind, dann verfestigt sich in mir die unumstößliche Gewissheit, dass ich zu Hause bin. Ja, ich bin dort unter den vertrauten Worten zu Hause, dort ist mein Platz, und zwar unabhängig davon, wo ich mich geographisch befinde.

Kommentar von Ildikó von Kürthy

Kedves Edina!

Oh ja, das verstehe ich so gut und ich denke, es würde mir ganz genauso gehen. Deutsch ist meine Heimatsprache. Ich könnte mir niemals vorstellen auf Dauer in einem Land zu leben, in dem ich die Sprache nicht perfekt beherrsche. Und selbst dann, es ist so, wie Du sagt: Sprache ist so viel mehr, als Verständigung. Sprache ist Erinnerung und Gefühl, Sehnsucht, Heimat und Verstanden werden.

Danke, liebe Edina für diese Gedanken und herzliche Grüße!

Deine

Ildikó

Beitrag 8

Autor: Guido Busch

Es ist heute Sonntag und ich lese in der Süddeutschen Ihren Beitrag "Der Armin, das ist Familie". 
Und ich merke, wie mein Herz aufgeht. Nicht wegen Armin, aber wegen Aachen. Ich habe dort 14 Jahre gewohnt, dazu noch 5 Jahre im Aachener Umland. Aachen wurde Heimat, war Heimat und ist immer noch Heimat. Das merke ich bei Ihrem Text, bei "Isch hab kalt", bei "Streuselbrötchen", bei "Och härm", beim beschriebenen Klogang in der Kneipe.
Seit 6 Jahren lebe ich in Münster. Auch hier ist jetzt Heimat. Die andere Art der Westfalen, es war ein Prozess des Eingewöhnens, als Rheinländer ist man doch in mancher Hinsicht Exot gewesen. Jetzt kommt mir das "Moin!" auch am Nachmittag flüssig über die Lippen, ich schätze auch das etwas Distanzierte, was Sie als Wahl-Hamburgerin auch kennen.
Wo ist sie? Die Heimat? Ich merke mit meinen fast 50 Jahren Lebenserfahrung, dass Heimat ganz viele Orte sein können.
Ich wurde in Mönchengladbach geboren und bin dort 20 Jahre lang groß geworden. Meine Mutter ist Berlinerin, mein Vater Bayer. Meine Oma sagte immer, ich sei ein "mopsgedackelter Windhund".
Meine Großeltern väterlicherseits lebten auch in Mönchengladbach. Sie waren keine Rheinländer, sind es nie geworden. Die Familie lebte in Dachau und kam nach dem Krieg an den Niederrhein, weil es hier Arbeit gab.
Aber mein Opa hat nicht ein Wort Hochdeutsch gesprochen. Er konnte nur bayrisch. Heimat war für sie Bayern und ist es immer geblieben. Damit bin ich groß geworden. Und ich merke jetzt, dass Bayern auch ein Teil meiner Heimat ist. So wie ich in den Aachener Singsang falle, wenn ich in Aachen bin, so falle ich sprachlich ins Bayrische, wenn ich meinen Bruder in München besuche.
Ich "falle" ins Bayrische. Immer wieder. Das tut gut. Letztes Jahr habe ich mir im Bergurlaub in Oberstdorf eine Lederhose gekauft. Meine zweite in meinem Leben. Die erste hängt an der Wand in meinem Wohnzimmer. Da passte ich rein, als ich fünf war. Meine Mutter hat mich reingequetscht damals, ich fand es Scheisse. Aber meine Oma hatte Tränen in den Augen, als sie mich - den Bub - damit gesehen hat. Ich erinnere mich sehr gut daran.
Ja, es ist für mich auch Heimat, durch Münster mit einer bayrischen Lederhose zu laufen. Ich werde sie auch im Sommer an der Nordsee tragen. Amrum ist gebucht. Hoffentlich klappt es.

Heimat ist Herzklopfen. Das ist das Herzklopfen, wenn ich mit meiner Frau in Aachen im Hof vor dem Domkeller sitze und bei Luigi die Pizza dazu hole. Oder im Cafe Egmont sitze und bei AKL das Essen hole. Gibt es nur in Aachen. Irgendwo sitzen und was trinken und woanders das Essen holen. Findet meine Frau - Westfälin mit Ruhrgebietseinschlag, ihr Vater war Bergmann - erstaunlich.
Ich habe in Köln studiert. Heimat ist also auch, von irgendwo her zu kommen und über die A4 bei Kerpen auf den Dom zu zu fahren. Oder am Flughafen Köln/Bonn aus fernen Gefilden zu landen und das Kölsche Grundgesetz zu lesen. Und dabei jeweils das Herzklopfen zu spüren.
Heimat ist seit ein paar Jahren auch Lanzarote. Immer wieder ein Urlaub dort. Herzklopfen bei der Ankunft, das Meer zu riechen, die Wärme zu fühlen. War jetzt wegen Corona länger nicht auf Lanzarote. Heimat kann fehlen.
Heimat mit Herzklopfen ist halt auch, bayrisch zu hören und zu sprechen. Gepaart mit dem speziellen Humor. 
Flughafen München, Sicherheitskontrolle. Der Sicherheitsbeamte sagt zu dem Mann vor mir: "Sie hom do noch a Flascherl i Gepäck, des derf net, des müssn ma entsorgn." Der Mann vor mir öffnet seine Tasche, holt eine kleine angebrochene Flasche Cola heraus, übergibt sie dem Sicherheitsbeamten und geht weiter. Der Beamte dreht sich um, wirft die Flasche in den Müll, dreht sich zu mir um und sagt: "Gott sei Donk wos koa Bier."
Das ist Heimat.

Kommentar von Ildikó von Kürthy

Lieber Guido,


tausend Dank, dass Sie mich in Ihre unterschiedlichen Heimaten mitgenommen haben! Was für ein Geschenk es doch ist, wenn man ein "mopssgedackelter Windhund" :-) ist und in sich so viel verschiedene Heimaten und Herzklopf-Orte trägt. Für mich sind es Aachen, Hamburg, München und der Balaton in Ungarn - und Münster auch ein bisschen, denn mein Mutter kommt daher und ich habe viele Ferien in Roxel bei meinen Tanten verbracht.

Also grüße ich Sie sehr herzlich in die alte Zweitheimat!

Ihre

Ildikó

Beitrag 9

Autor: Sophie Brennecke

Liebe Ildikó, 
Die Heimat ist die Sehnsucht nach früher, nach Geborgenheit und Leichtigkeit. Das Zusammensein mit noch erziehenden, mitten im Leben stehenden Eltern und heranwachsenden Geschwistern. Das Eintauchen in französischen Gedichten in der Schule (Baudelaire, Rimbaud…), das Trällern von Chansons und der Philosophieunterricht mit Mademoiselle Iconomidis. Es ist mein französischer Stolz. Es ist das erlernte Auflehnen gegen Ungerechtigkeiten. Die Wurzeln einer kleinen Revoluzzerin.  
Es war die Stadtwohnung in Straßburg und danach das Haus in einem verlorenen ländlichen Paradies. Die Heimat, das ist eine besondere Käseauswahl, frisches duftendes Baguette, Schulhefte von "Clairefontaine" oder das legendäre Weihnachtsessen meiner Mama! Ich habe meine Heimat mit 20 verlassen. Glücklich, verliebt und voller Träume. Trotzig, ungeduldig und leichtsinnig. Vielleicht auch ein bisschen französisch-chaotisch. Nun. Das Leben hält eigene Lektionen parat und es kommt wie man so schön sagt, sowieso immer alles anders. So war es auch bei mir. Ich habe sie plötzlich vermisst, die Geborgenheit der alten Heimat, die verlorenen Gewohnheiten. Die Leichtigkeit war dahin! Plötzlich waren die Normen und Spielregeln fremd. Die Sprache eine andere. Es war alles anders, oft schwierig und immer neu. Sogar Brötchen einkaufen war auf einmal nicht so einfach und das lag nicht nur an der Sprachbarriere: Deutsch hatte ich schon viele Jahre in der Schule gelernt …. Ich habe mich aber mit meinem Zuhause mit offenem Herzen angefreundet. Vieles gefällt mir hier, vieles habe ich liebgewonnen. Aber ist es eine neue Heimat geworden? Das kann ich tatsächlich gar nicht so leicht beantworten. Ich bin bei der Fußball-Europameisterschaft mittlerweile für 2 Mannschaften und offiziell bin ich für die bessere. Meine Lieblingsflagge bleibt aber bleu-blanc-rouge und den Text von „La Marseillaise“ kann ich immer noch ziemlich gut. Verrückt eigentlich! Über dreißig Jahre bin ich hier im Frankenland zu Hause, 20 waren es im Elsass. Dennoch bin ich nicht von hier, gehöre nicht zu der üblichen Norm. Das spüre ich immer wieder, obwohl ich wirklich sehr gut „integriert bin“. Manchmal tut es weh, nie so richtig dazuzugehören. Die französischen Dichter habe ich in der Schulzeit meiner großen Kinder vermisst. Nie werden sie meine Sichtweise und meine Gedankengänge ganz erfassen, ihre eigenen Erfahrungen weichen so sehr von meinen ab. Sie haben eine andere Heimat! Sie hatten hier eine andere Kindheit: keine oder kaum Schule am Nachmittag, kein Espresso trinken vor der Geographie Stunde in einem urigen Kaffee in der Nähe vom Münster. Die unnachahmlichen "Petits Pains au chocolat" kennen sie nur aus unseren Urlaubsreisen. Für mich war das alles Alltag. Ja diese Mischung aus früheren Tagen ist meine ganz eigene. Ich trage sie immer bei mir, allerdings angereichert mit den Erlebnissen der letzten 30 Jahre. 

Egal wo mich das Leben noch locken könnte, die Heimat nehme ich mit.

Kommentar von Ildikó von Kürthy

Liebe Sophie! 

Ach, wie wohltuend und schön sind Deine Zeilen. Und, ganz ehrlich, ich fühle mich auch so. Als Rheinländerin in Hamburg ist man auch ziemlich weit weg von der Kultur, mit der man aufgewachsen ist:-) Ich habe Sehnsucht nach Streuselbrötchen und dem rheinländischen Dialekt, nach der Art der Menschen, die alles etwas leichter nehmen. Ich denke auch, dass ich ganz gut integriert bin :-) Aber meine Herzens-Heimat bleibt steht dort, wo ich herkomme. 

Sehr herzliche Grüße! Ildikó

Beitrag 10

Autor: Christiane Seidel

Heimat….

Die Heimat, lange Jahre dachte ich, es ist der Ort, an dem ich aufgewachsen bin.
Jetzt mit 50 realisiere ich. Heimat ist in mir. Ich kann und muss sie mir selber geben.
Muss mich wie ein Kind betrachten, dem ich etwas gutes tue. Muss meine Emotionen und Gefühle erkunden. Die tagtäglich, manchmal sogar öfters am Tag wechseln können. Und dann schauen, dass ich es nach Hause schaffe. Auch bei Regen und Gewitter. Gerade dann fällt es schwerer.

Ja es gibt meine sogenannten „Lieblingsplätze“, zum Beispiel auf meiner großen Schaukel im Garten, am Rhein oder in (m)einem Wald. Dort gelingt es mir schneller, wenn ich zerstreut bin, meine innere Heimat zu finden.

Bin ich satt (nicht voll), hab genug geschlafen und bin entspannt (bei einer wunderschönen Massage), gelingt es mir auch sehr schnell diese Heimat zu finden.

Aber an manchen Tagen, da bin ich ehrlich finde ich sie auch nicht. Dann komme ich nicht zur Ruhe, bin rastlos und verfehle den Eingang. Wie ein Vagabund, der suchend dich die Gegend rennt.

Habe ich meine innere Heimat gefunden. Ist es mein Seelenort, der Eingang durch das Tor im Herzen, eine Treppe hinab, zum See. Dort blühen die schönsten Blumen, steht eine Bank unter einer Weide. Bunte Schmetterlinge und andere Insekten, Vögel etc. Fliegen und flattern friedlich durch die Gegend. Und ich weiß einfach, ich habe es geschafft,
Ich bin da und daheim.

Vielleicht treffen wir uns dort eines
Tages?

Kommentar von Ildikó von Kürthy

Liebe Christiane!

Wie schön sie ist, Deine innere Heimat! Und ja, ich kenne die Suche danach und das Herumirren wie ein Vagabund. Ich hoffe wir sehen uns in unseren inneren Heimaten! Herzlich! Ildikó